Prof. Stephan Miehlke (Magen-Darm-Zentrum, Facharztzentrum Hamburg-Eppendorf)
Prof. Martin Storr (Zentrum für Endoskopie Starnberg)
Prof. Joachim Labenz (Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen)
Experten im Dialog
Eosinophile Ösophagitis (EoE): Erkennen und Behandeln
Seit ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1989 ist die eosinophile Ösophagitis (EoE) Bestandteil zahlreicher Forschungen und Studien. Durch die bisherigen Ergebnisse konnten das Wissen über die Erkrankung und die möglichen Behandlungsansätze ständig erweitert werden. Drei Experten, die sich seit vielen Jahren mit der Erkrankung beschäftigen, sind Professor Stephan Miehlke, (Magen-Darm-Zentrum, Facharztzentrum Hamburg-Eppendorf), Professor Martin Storr (Zentrum für Endoskopie Starnberg) und Professor Joachim Labenz (Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen). Im folgenden Interview sprechen sie über den typischen EoE-Patienten, seine Symptome und die aktuell verfügbaren Therapien:
Der typische EoE-Patient
Welche Patienten sind von einer EoE typischerweise betroffen?
Miehlke: Grundsätzlich kann die EoE in allen Altersgruppen auftreten, also auch bei Kleinkindern und älteren Erwachsenen.
Labenz: Typische Patienten mit EoE sind aber vor allem jüngere Männer. Meistens haben die Patienten zudem irgendwelche anderen Allergien wie Heuschnupfen.
Welches sind die typischen Symptome?
Miehlke: Der Patient klagt primär über Schluckbeschwerden, wie „Nicht-richtig-schlucken-können“, Dysphagie genannt, oder über Schmerzen beim Schlucken, was als Odynophagie bezeichnet wird.
Labenz: Schlimmstenfalls bleibt Nahrung in der Speiseröhre stecken und es kommt zur sogenannten Bolusimpaktion.
Storr: Bei solchen Beschwerden ist von einer Striktur oder Stenose in der Speiseröhre auszugehen. Aber auch bei allgemeinen Schluckbeschwerden und retrosternalen Schmerzen sollte an eine EoE gedacht werden.
Miehlke: Bei Kindern sehen die Symptome einer EoE anders aus. Sie haben oft unspezifische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Erbrechen und Gedeihstörungen oder verweigern die Nahrung.
Wie hoch ist der Leidensdruck der Patienten?
Labenz: Viele EoE-Patienten haben die Beschwerden bereits seit ihrer Kindheit.
Storr: Ja, sie haben sich mit den Schluckstörungen oft arrangiert, indem sie ihre Essgewohnheiten entsprechend angepasst haben. Irgendwann ist der Leidensdruck so groß, dass die Patienten in der Praxis auftauchen.
Miehlke: Die Patienten vermeiden bestimmte Lebensmittel, von denen sie wissen, dass diese nicht gut rutschen. Sie essen langsam, kauen sehr lange und trinken viel zu den Mahlzeiten.
Labenz: Wenn aber ein Bissen in der Speiseröhre stecken bleibt, ist das sehr schmerzhaft und geht in den meisten Fällen mit einer notfallmäßigen Krankenhausbehandlung einher. Besteht die EoE über viele Jahre, kommt es irgendwann zu Verengungen der Speiseröhre, wodurch die Schluckfunktion praktisch bei jeder Mahlzeit beeinträchtigt ist.
Abb. 1: Bolusimpaktion durch eosinophile Ösophagitis (EoE)
EoE-Diagnose
Wie lange dauert es in der Regel bis eine EoE erkannt bzw. die richtige Diagnose gestellt wird?
Storr: Die Beschwerden bestehen häufig schon seit vielen Jahren. Die Patienten stört das aber oft so lange nicht, bis das Essen in der Speiseröhre steckenbleibt und sie in der Notfallpraxis landen.
Labenz: Manchmal werden die Symptome auch fehlinterpretiert zum Beispiel als Refluxkrankheit.
Warum ist die frühe Diagnose und die Kontrolle des Therapieverlaufs durch den Gastroenterologen wichtig?
Miehlke: Eine frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig, weil die EoE eine chronische, fortschreitende Erkrankung ist.
Labenz: Daten aus einem Schweizer Register zeigen, je länger diese Krankheit unentdeckt und damit unbehandelt bleibt, desto höher wird der Anteil der Patienten, die Komplikationen wie Strikturen und Stenosen der Speiseröhre bekommen.
Miehlke: Daher ist es wichtig frühzeitig effektiv zu behandeln, damit diese Langzeitschäden nicht entstehen.
Storr: Ergibt sich der Verdacht auf das Vorliegen einer EoE, ist der Patient zum Gastroenterologen zu überweisen, denn nur er kann die Diagnose durch eine Endoskopie mit Biopsien sicherstellen.
Labenz: Der Hausarzt kann diese Maßnahmen nicht durchführen. Was er aber kann, ist aufmerksam sein. Wenn er Patienten hat, die auffällige Symptome haben oder die auf die Reflux-Therapie nicht gut ansprechen, dann sollte er an eine EoE denken und die Patienten zur Endoskopie schicken.
Wie sieht die EoE-Diagnostik aus?
Miehlke: Diagnostischer Goldstandard der EoE ist die Endoskopie des Ösophagus mit Biopsieentnahme und mikroskopischer Untersuchung durch den Pathologen.
Storr: Die Leitlinien empfehlen sechs Biopsien in drei Abschnitten: jeweils zwei oben, in der Mitte und unten.
Labenz: Die Biopsien sind selbst dann notwendig, wenn der endoskopische Befund unauffällig ist. Das wissen viele nicht.
Miehlke. Es gibt verschiedene endoskopische Zeichen, die auf eine Inflammation hinweisen: weiße Exsudate, Längsfurchen in der Schleimhaut. Und es gibt sogenannte Fibrosezeichen, das sind Zeichen einer chronischen längerfristigen Veränderung, also Ringe, Strikturen, Stenosen.
Storr: Führend ist dann die Gewebeprobe. Im histologischen Präparat werden die Eosinophilen angefärbt und gezählt. Wenn ihre Zahl den Grenzwert von 15 Eosinophilen/High-Power-Field (Hauptgesichtsfeld) überschreiten, dann ist die EoE-Diagnose gesichert. Natürlich müssen die Befunde im Einklang mit der klinischen Symptomatik stehen.
Abb. 2: Beispiele für EoE-typische endoskopische Merkmale
© Prof. Dr. Stephan Miehlke, Magen-Darm-Zentrum Facharztzentrum Eppendorf, Hamburg
EoE-Therapie
Wie behandeln Sie EoE-Patienten?
Storr: Da bei der EoE offenbar früher oder später mit einer weiteren Zunahme der Symptomatik zu rechnen ist, sollte sie konsequent behandelt werden.
Miehlke: Bestätigt sich die Diagnose, ist eine gezielte Therapie angezeigt. Grundsätzlich gibt es drei Behandlungsmöglichkeiten: die Eliminationsdiät, die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren und die lokale Steroidtherapie.
Miehlke: Die Eliminationsdiät ist auf Dauer wenig praktikabel. Sie funktioniert nur, wenn sie konsequent durchführt wird. Die sogenannte Six-Food-Eliminationsdiät, also die komplette Elimination von Kuhmilch, Weizen, Soja, Eiern, Nüssen und Meeresfrüchten, hat eine Erfolgsrate von siebzig Prozent histologische Remission.
Labenz: Ein zweiter Therapieansatz besteht darin, mit Protonenpumpeninhibitoren zu behandeln, da diese den Entzündungsprozess günstig beeinflussen.
Miehlke: Die Protonenpumpeninhibitoren sind in dieser Indikation aber nicht zugelassen, es handelt sich also um einen Off-label-use.
Labenz: Diese Therapie kann aber dann sinnvoll sein, wenn der Patient gleichzeitig an einer Refluxkrankheit leidet. Es sprechen allerdings nur etwa 30 Prozent der EoE-Patienten gut auf diese Strategie an.
Miehlke: Erfolgversprechender ist die Behandlung mit topischen Steroiden wie z.B. Budesonid.
Fazit für die Praxis:
Festzuhalten bleibt, dass es sich bei der eosinophilen Ösophagitis um eine ernst zu nehmende chronische Erkrankung handelt, von der vor allem jüngere Männer (30-50 Jahre) betroffen sind. Die Diagnose ist oft schwierig und kann – wie auch die Kontrolle des Therapieerfolgs – nur durch den Gastroenterologen erfolgen. Bleibt die EoE unbehandelt, kommt es langfristig fast immer zu Verengungen und Vernarbungen der Speiseröhre. Durch verschiedene Therapieoptionen, wie z.B. das speziell für die Behandlung der Speiseröhre entwickelte lokal wirksame Kortisonpräparat mit dem Wirkstoff Budesonid, lassen sich die Symptome jedoch minimieren, Komplikationen wie einen Verschluss der Speiseröhre vermeiden und die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern.