Eosinophile Ösophagitis
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Differentialdiagnose GERD und EoE
1. Warum Differentialdiagnose?
Klagt ein Patient über Schluckbeschwerden und Sodbrennen-ähnliche Symptome, wird häufig die Diagnose der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) gestellt. Dabei können diese Symptome auch auf eine eosinophile Ösophagitis (EoE) hinweisen. Eine differentialdiagnostische Abgrenzung der EoE zur GERD ist aufgrund der überlappenden Symptomatik jedoch nicht leicht. Worin sich die Refluxkrankheit und EoE unterscheiden, wie eine Differentialdiagnose sicher gelingt und welche Therapieoptionen bestehen, erfahren Sie hier.
Das Spannungsfeld der GERD und EoE – erläutert im Mini-Podcast durch Professor Joachim Labenz, Direktor der Inneren Medizin am Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen:
Aufzeichnung einer virtuellen Round-Table-Veranstaltung mit Fachjournalisten im Nachgang zu einem Satellitensymposium „Refluxkrankheit oder eosinophile Ösophagitis? Unterscheiden und handeln“ der Dr. Falk Pharma am 19.04.21 im Rahmen des Internistenkongresses 2021.
2. Barriere-Erkrankungen mit unterschiedlichem Auslöser
Die Volkskrankheit GERD ist die häufigste Erkrankung des Ösophagus und betrifft jeden fünften Erwachsenen der westlichen Welt.1 Aufgrund der EoE-ähnelnden Symptomatik, gilt sie heutzutage als deren relevanteste Fehldiagnose. Pathophysiologisch handelt es sich sowohl bei der EoE, als auch bei der GERD um Barriere-Erkrankungen der Speiseröhre, da in beiden Fällen die Durchlässigkeit der Ösophagusmukosa erhöht ist (s. Abb. 1). Dadurch können äußere Reize eine Entzündungsreaktion auslösen, welche in beiden Erkrankungen T-Lymphozyten-vermittelt ist.2 Während jedoch bei der EoE Nahrungsmittel- und Aeroallergene eine ösophageale Entzündung unter Beteiligung eosinophiler Granulozyten bewirken, ist im Falle der GERD gastroösophagealer saurer Reflux, der aus dem Magen in die Speiseröhre zurückfließt, Auslöser der Inflammation, die sich unter Beteiligung neutrophiler Granulozyten manifestiert.3,4
Zudem können beide Erkrankungen miteinander interagieren. So können im Rahmen einer GERD durchaus auch eosinophile Granulozyten in der Ösophagusmukosa nachgewiesen werden und einige EoE-Patienten zusätzlich an Refluxbeschwerden leiden.4,5,6
Abb. 1: GERD und EoE sind Barriere-Erkrankungen2,3,4
©Prof. J. Labenz, Direktor der Inneren Medizin, Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen.
3. GERD oder EoE – was sind die typischen Patientenbilder?
Die klinische Symptomatik beider Erkrankungen weist zwar Unterschiede auf, eine absolute Diskriminierung ist jedoch nur schwer möglich. Daher sollte Folgendes beachtet werden:
GERD betrifft Frauen etwas häufiger als Männer, tritt vermehrt ab dem 20. Lebensjahr auf und ist dann in der Häufigkeit über alle Lebensdekaden konstant. Es besteht relativ häufig eine Assoziation zu Übergewicht, jedoch nicht zu einer allergischen Diathese (Atopie). Kardinalsymptome der Refluxkrankheit sind Sodbrennen (75% der Betroffenen), welches in der Regel ein bis zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme beginnt, Regurgitation und Dysphagie (35% der Betroffenen).7
Von der EoE sind Männer – meist im jungen bis mittleren Lebensalter – deutlich häufiger betroffen als Frauen. Übergewicht ist eher nicht gehäuft, Atopie dagegen schon. Daher kann der Hinweis auf andere allergische Erkrankungen ein deutliches Indiz für eine EoE sein. Das Kardinalsymptom der EoE ist die Dysphagie, die beinahe alle Patienten betrifft, häufig jedoch erfragt werden muss. Viele Betroffene leiden bereits seit der Kindheit an den Schluckproblemen und haben sich daher an die Beschwerden gewöhnt oder adaptive Verhaltensmuster entwickelt (gründliches Kauen, langsames Essen, Nahrung sehr klein schneiden und mit viel Flüssigkeit nachspülen), sodass sie die Beschwerden oftmals nicht als solche wahrnehmen. In etwa 40% der EoE-Patienten tritt retrosternales Brennen auf, welches im Gegensatz zum Sodbrennen bei GERD bereits unmittelbar während des Essens und nicht erst im Anschluss auftritt. Bolusobstruktionen aufgrund einer verengten Speiseröhre können in etwa einem Drittel der EoE-Patienten vorkommen und sind häufig ein klares Anzeichen einer vorliegenden EoE.7,8
GERD | Eosinophile Ösophagitis |
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Tab. 1: Differentialdiagnose GERD – EoE7,8,9
4. Differentialdiagnostische Abgrenzung zwischen GERD und EoE
Wird bei entsprechender Symptomatik an eine EoE gedacht, ist der Vorgang ihrer Diagnose klar strukturiert und basiert neben der Erfassung und Einordnung klinischer Symptome auf einer endoskopischen und histologischen Untersuchung.
Zur diagnostischen Bewertung der GERD existiert kein Goldstandard. Eine Bewertung der Symptome reicht nicht aus um die Refluxkrankheit zu bestätigen. Häufig werden initial Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verordnet und das Ansprechverhalten der potenziellen GERD-Patienten auf die Behandlung evaluiert. Eine endoskopisch histologische Untersuchung durch einen Gastroenterologen kann zusätzlich Klarheit bringen.10 Allerdings kann eine GERD nicht immer durch eine Endoskopie und/oder Histologie gesichert werden.11 Erschwerend kommt hinzu, dass PPI die endoskopischen Anzeichen der GERD – aber auch der EoE – maskieren können.12 Aus diesem Grund, sollten PPI stets 3–4 Wochen vor einem endoskopischen Eingriff abgesetzt werden.
Sprechen vermeintliche GERD-Patienten nicht auf die Behandlung mit PPI an und bleiben Symptome wie Sodbrennen, Regurgitation und Dysphagie weiter bestehen, sollte unbedingt an eine EoE gedacht werden.4,13
5. Hohe EoE-Dunkelziffer bei PPI-refraktären GERD-Patienten
Heutzutage wird noch zu selten an eine EoE gedacht und bei Beschwerden wie Sodbrennen/retrosternalem Brennen und Dysphagie häufig die Diagnose der Refluxkrankheit gestellt. Eine aktuelle Studie belegt die Häufigkeit dieser Fehldiagnosen.13 Demnach leiden 5% aller PPI-refraktären GERD-Patienten eigentlich an einer EoE. In der Gruppe der PPI-refraktären GERD-Patienten mit Dysphagie sind es sogar 10% (s. Abb. 2). Dadurch ergibt sich eine hohe Anzahl nicht erkannter EoE-Patienten, deren Diagnose sich oftmals über Jahre hinauszögert.
Abb. 2: Hohe EoE-Dunkelziffer bei PPI-refraktären GERD-Patienten13,14,15
6. Therapieoptionen und Therapieziele bei GERD und EoE
Die Therapieziele der GERD und der EoE unterscheiden sich fundamental. Bei 90% der GERD-Patienten genügt eine Symptomkontrolle mittels PPI, die zu einer Normalisierung der Lebensqualität führen sollte. Nur bei etwa 5% der Betroffenen steht eine Heilung der Ösophagusmukosa im Vordergrund und zwar dann, wenn eine schwere Ösophagitis vorliegt. Komplikationen im Zusammenhang mit GERD, wie beispielsweise das Barrett-Syndrom existieren zwar, treten jedoch verhältnismäßig selten auf.10
Anders bei der chronisch-progredienten EoE. Hier steht nicht allein die Kontrolle der Symptome im Vordergrund, sondern die Bekämpfung der ösophagealen Entzündung. Durch die Induktion einer klinisch-histologischen Remission und deren langfristigen Erhalt, können akute Komplikationen, wie Bolusobstruktionen sowie der fibrotische Umbau der Speiseröhre und die daraus resultierenden chronischen Komplikationen, wie Stenosen und Strikturen verhindert werden.16
Heutzutage gelten topische Glukokortikoide als medikamentöse EoE-Therapieoption erster Wahl.17 Als Alternative werden in den aktuellen Leitlinien auch andere Therapieoptionen, wie PPI oder eine Eliminationsdiät empfohlen.16
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4. Referenzen
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