Eosinophile Ösophagitis
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Experteninterview: Refluxkrankheit oder eosinophile Ösophagitis?
Prof. Joachim Labenz, Direktor der Inneren Medizin am
Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen
Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) und die eosinophile Ösophagitis (EoE) zeigen eine teils überlappende Symptomatik, unterscheiden sich aber erheblich im pathogenetischen Hintergrund, in der Diagnostik und Therapie. Warum die Symptome der EoE oft verkannt werden und die Erkrankung häufig fehlgedeutet wird und was hinsichtlich der Identifizierung der Patienten wie auch der Diagnostik und Therapie zu beachten ist, erläuterte Prof. Joachim Labenz, Siegen, im Interview*.
Herr Prof. Labenz, wann muss man als Arzt hellhörig hinsichtlich einer EoE werden?
Prof. Labenz: Bei der EoE handelt es sich um eine chronisch progrediente Erkrankung, an die leider häufig zu spät gedacht wird. Die Patienten stellen sich meist mit Beschwerden wie einem „Brennen und Schmerzen hinter dem Brustbein“ vor. Vorschnell wird dann oft an eine GERD gedacht und ein Protonenpumpenhemmer, also ein PPI, verordnet. Bei solchen Beschwerden ist differenzialdiagnostisch jedoch stets auch an eine EoE zu denken und die Symptomatik muss genauestens hinterfragt werden. So treten beispielsweise retrosternales Brennen und der Schmerz bei der EoE im direkten Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auf. Bei der GERD ist das anders, denn hier kommt es erst mit deutlicher Verzögerung zu den Beschwerden. Wichtig ist zudem, dass alle Patienten eingehend nach potenziellen Schluckstörungen gefragt werden, denn die Dysphagie ist das Leitsymptom der EoE. Allerdings ist das vielen Patienten nicht bewusst. Sie haben die Probleme oft schon in jungen Jahren, eventuell sogar seit ihrer Kindheit und haben sich in ihrem Ernährungsverhalten angepasst. Viele Patienten geben die Schluckstörung daher anamnestisch nicht spontan an. Daher muss man als Arzt aktiv und gezielt danach fragen. Für eine EoE sprechen zudem ein niedriges oder mittleres Alter der Patienten und das männliche Geschlecht. Während bei GERD häufiger Frauen betroffen sind, erkranken an einer EoE überproportional häufig Männer. Bei GERD gibt es oft auch einen Zusammenhang zu Übergewicht. Das ist bei der EoE nicht der Fall, allerdings weisen viele EoE-Patienten gleichzeitig eine Erkrankung aus dem atopischen Formenkreis auf.
Wie geht man diagnostisch vor?
Prof. Labenz: Die Refluxkrankheit diagnostizieren wir meist primär anhand der anamnestischen Angaben und den aktuellen Beschwerden des Patienten. Oft wird dann probatorisch zunächst mit PPI behandelt. Ganz anders ist vorzugehen, wenn möglicherweise eine EoE vorliegt. Diese Erkrankung ist durch eine Infiltration eosinophiler Granulozyten diagnostisch klar zu erfassen. Es ist eine Endoskopie angezeigt, wobei mindestens sechs Biopsien entlang der Speiseröhre entnommen werden sollten, damit der Pathologe die EoE sicher nachweisen kann. Wichtig ist, dass zwei bis vier Wochen vor der Endoskopie die möglicherweise zuvor verordneten PPIs abgesetzt werden, da diese das Bild der EoE verschleiern können.
Warum ist die frühzeitige Diagnose so wichtig bei der EoE?
Prof. Labenz: Genaue Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz der EoE gibt es bislang nicht und wir gehen zudem von einer hohen Rate an Fehldiagnosen und damit auch von einer hohen Dunkelziffer aus. Das ist problematisch, weil die EoE mit nicht unerheblichen Risiken behaftet ist. Den Patienten drohen ohne adäquate Therapie akute Komplikationen wie etwa eine Bolusimpaktion. Oftmals wird die Diagnose sogar erst gestellt, wenn es zu einem solchen Ereignis gekommen ist. Doch auch langfristig ist das Komplikationsrisiko hoch. Denn mit dem Fortschreiten der Erkrankung kommt es in aller Regel zu einem Remodelling der Speiseröhre mit der Gefahr, dass sich Stenosen und Strikturen ausbilden. Dem gilt es durch die Behandlung vorzubeugen, was am besten möglich ist, wenn die Patienten frühzeitig identifiziert und entsprechend diagnostiziert werden.
Wie wird die EoE behandelt?
* Online-Satellitensymposium „Refluxkrankheit oder eosinophile Ösophagitis? Unterscheiden und handeln“ anlässlich des 127. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) am 19.04.2021.